Redebeitrag 12.09.2020 „Zur Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten“

Ein Text zur Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten und ihr nur vermeintlich emanzipatorisch-feministisches Agieren

Seit Jahrhunderten wird Frauen eigenständig motiviertes Denken und Handeln abgesprochen. Emanzipierten sich Frauen im Laufe der Zeit jedoch zunehmends sexuell, gesellschaftspolitisch und ökonomisch, traten im Zuge der Suffragetten-Bewegung auch öffentlich für ihre Rechte ein und erkämpften sich das Wahlrecht, sowie in der Weimarer Republik erstmalig auch Sitze im Parlament, so erfuhren die erkämpften Privilegien mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Beschneidung und letztendlich ihre Negierung. Der Doktrin des NS folgend, hatte die Frau ihrem Mann gehorsam zu folgen, ihm den Rücken zu stärken, Kinder zu gebären und zu erziehen und somit den Erhalt des Deutschen Volkes zu garantieren. Zum Rollenbild der Frau gehörte, dass sie niemals als eine Persönlichkeit wahrgenommen wurde, die intrinsisch politisches Bewusstsein entwickelte und dementsprechend eigenmotiviert handelte. Folgerichtig wurde eine Frau lediglich als das Anhängsel ihres Mannes registriert und über ihre Rolle als treusorgende Ehefrau und Mutter definiert.

Diese Wahrnehmung unterliegt historischer Kontinuität und verschwand nicht mit dem Fall Nazideutschlands am 8. Mai 1945. Schon in den ersten NS-Prozessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs kristallisierte sich heraus, dass Frauen als Täterinnen nur marginal als solche identifiziert wurden. Charakterisiert als ideologisch Verführte, dem Mann hörige Person, wurden sie in der Regel noch milder verurteilt als die wenigen vor Gericht gebrachten männlichen Nazis, oder gar nicht zu Rechenschaft gezogen.

Dass Rechte Frauen durchaus auch in der BRD militant agierten und agieren, z.B. den Deutschen Aktionsgruppen oder der Kameradschaft Süd, wird nicht kolportiert, da die Szene männlich geprägt ist. Stärke, Macht, Herrschaft, Willenskraft, Dominanzstreben und Überlegenheitsphantasien entsprechen dem traditionellen Männerbild und werden nicht in Beziehung zu agierenden Frauen gesetzt. Die zur Kerngruppe der Kameradschaft Süd gehörenden Frauen, welche Sprengstoff und Waffen lagerten, wurden 2004 vor Gericht lediglich als Mitläuferinnen eingeordnet. Auch die Beziehung der NSU-Terroristin Beate Zschäpe zu Uwe Mundlos wurde lange Zeit auf eine emotionale Abhängigkeit reduziert, politische Motivation zur Ausführung ihrer Taten wurde ihr erst zugesprochen aufgrund der kontinuierlichen, intensiven Recherche antifaschistischer Gruppen, so dass Zschäpe letztendlich als Täterin verortet und verurteilt werden konnte.

Das Klischee der unpolitischen Frau wird auch heute noch immer in vielen Gesellschaftskreisen unreflektiert reproduziert. Feminine – nicht feministische Gruppen – Rechter Frauen greifen dieses Klischee auf, benutzen es und profitieren von ihm. So titulieren sich die Mitglieder des Ring Nationaler Frauen, einer Organisation der NPD, als „antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu“. Sie propagieren die „naturgegebene Verpflichtung als deutsche Mutter“, knüpfen damit direkt am traditionellen, patriarchalen Rollenbild des NS an und versuchen es zu kolportieren. Die Frauen stilisieren sich als zivilgesellschaftliche Aktivistinnen, engagieren sich in Bürger*inneninitiativen, Elternbeiräten, Hausaufgabenhilfen oder Hartz IV-Beratungsstellen und unterwandern diese ideologisch. Mittels bewusster Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt werden Privates und Politisches stark miteinander verwoben. Durch die so stattfindende kulturelle Subversion kann ein breiter, gesellschaftspolitischer Konsens erwirkt werden.

Eine weitere feminine Gruppe ist die der Völkischen. Aufgrund der vermeintlichen Sicherung des Fortbestandes der „auserwählten Rasse“ erfahren diese Frauen ein hohes Maß an Berechtigung und Anerkennung innerhalb ihrer Szene. Ihr Außer-Haus politisches Engagement beschränkt sich -neben der Teilnahme und Ausrichtung diverser völkischer Feste- auf die Teilnahme am 1000-Kreuze-Marsch und den Kampf gegen Abtreibung.

Wiederum eine Kategorie bilden Rechte Frauen, die rein stilistisch dem hippen Mainstream entsprechen, über Soziale Medien Einfluss nehmen und den Nationalen Widerstand ästhetisieren. Ihr Auftreten wird bewusst völlig unpolitisch und harmlos inszeniert, so dass sie vollkommen unverdächtig wirken und ihre Indoktrination scheinbar nebenher vollziehen. Themen wie Erziehung, Familie, Sexualität oder Gewalt gegen Frauen werden antifeministisch aufgeladen. Da Antifeminismus gesellschaftlich anschlussfähig ist, können diese Aktivistinnen in einem breiten Spektrum wirken und genießen hierdurch ein sicheres Standing innerhalb der Rechten Szene. Ziel ihrer Strategie ist eine Verschiebung von Tabus, verbal oder in Taten. Menschenverachtende Äußerungen werden normalisiert und ebnen den Weg für gewalttätige Handlungen. So nutzen diese Frauen zum Beispiel die #metoo-Debatte zur Infiltration des gesellschaftlichen Mainstreams: bei der #metoo-Debatte engagieren sich Frauen weltweit gegen Vergewaltigung und Femizide. Die rechten Socialmedia-Blogerinnen stilisieren die deutsche Frau als Opfer ausländischer, muslimischer Täter. Aus Einzelfällen wird ein kulturalistischer, rassistischer Generalverdacht formuliert, dem europäischen Politikestablishment wird die Verantwortung für sogenannte Überfremdung zugewiesen und sekundär somit für die hieraus angeblich resultierenden Taten. Emotion verknüpft mit Ideologie par Excellence!

Die NPD setzt auch im aktuellen Wahlkampf auf das tradierte Familienschema und propagiert auf ihren Wahlplakaten Vater – Mutter – Kind : VATERland, MUTTERsprache, KINDERglück Ariane Meise , NPD-OB-Kandidatin für Bochum, hetzt gegen „kulturfremde Männer“ und reproduziert kulturalistische, patriarchale Ressentiments gegen migrantische Männer, da diese Stereotypen von der Mitte der Gesellschaft geteilt und akzeptiert werden und Wähler*innenstimmen versprechen. Letztendlich entlarvt sie den Status der NPD-Frauen und den der rechten und rechtspopulistischen Frauen der Gesellschaft: die geballte Projektion dieser Vorurteile führt dazu, dass patriarchale Strukturen in der breiten Masse der Gesellschaft oder des eigenen engen Umfelds weniger wahrgenommen werden.

Auch für die AfD imaginiert die Familie den Sehnsuchtszustand der traditionellen, binären Rollenzuschreibung. Für die AfD stellt die Familie die „Keimzelle der Nation“ dar. Deutsche Werte können nur innerhalb einer traditionellen, intakten Familie vermittelt werden. Geflüchtete oder migrierte Familien mutieren zu einer Bedrohung des Volkskörpers. Dem zu erwartenden demographischen Problem stellt die Partei die Forderung nach mindestens drei Kindern pro Familie entgegen, kombiniert mit steuerlichen Vorteilen für Kinderreiche. Alternative Lebensformen wie Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder gar kinderloser Paare, sollen steuerrechtlich bestraft werden. Seit einiger Zeit wird innerhalb der AfD das sogenannte Familienwahlrecht diskutiert, bei dem die Eltern pro minderjährigem Kind eine weitere Stimme verbuchen können.

Die Gleichstellung der Geschlechter bedeutet für Mitglieder der AfD ein totalitäres Gesellschaftsexperiment, das zur Auflösung der vermeintlich natürlichen Geschlechter und der binären Ordnung führe. Gleichstellungsgremien an Unis sollen abgeschafft werden, ebenso wie Sexualkundeunterricht an Grundschulen, da dieser für Früh- oder Hypersexualisierung verantwortlich gemacht wird und somit zu einer Entwertung des klassischen Familienbildes beiträgt. Des weiteren propagiert der Landesverband NRW versuchsweise eine duale Trennung von Jungen und Mädchen im Unterricht, sowie die Abschaffung jeglicher Geschlechterquoten, da diese Männer diskriminiere.

Unser Fazit: Frauen der Extremen Rechten agieren sehr wohl mit eigener politischer Bewusstheit, unterwerfen sich jedoch tradierten, patriarchalen Mustern, um das Überleben des Deutschen Volkes zu sichern und reproduzieren kulturalistische, sexistische, homophobe, rassistische Stereotype. Obwohl sie sich vermeintlich für die sozialen und politischen Belange von Frauen einsetzen, zementieren sie lediglich eine binäre, patriarchale Geschlechterordnung, welche die Unterdrückung von Frauen sowohl begründet, als auch weiter tradiert.

Wir, die feministische Antifa, feminist struggle bochum, fordern ein selbstbestimmtes Leben eines jeden Menschen jenseits gesellschaftlicher Zwänge! Wir fordern den Aufbau einer egalitären Gesellschaft! Wir fordern alle auf mit uns für das Ende des Patriarchats zu kämpfen! Und heute fordern wir zusätzlich die verfuckte Regierung dieses Staates auf: Beendet das Elend auf Lesbos! Öffnet die Grenzen!

Redebeitrag 10.09.2020 „Frauen und Flucht“

Frauen und Flucht

Ein feministischer Redebeitrag für den 10.09.20

Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks sind circa 50% der Geflüchteten Frauen und Mädchen. Sie fliehen vor politischer oder religiöser Unterdrückung, Krieg, Umweltzerstörung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, aber sie fliehen auch vor  geschlechtsspezifischer Unterdrückung, sexueller und häuslicher Gewalt, Zwangsverheiratung, Vielehe, Witwenverbrennung und Genitalverstümmlung. Weitere Fluchtgründe sind systematische Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder die Verfolgung von Inter- und Transmenschen. Krisensituationen wie Krieg aber auch Pandemien führen zur Auflösung gesellschaftlicher und sozialer Strukturen mit zunehmender Gewaltbereitschaft. Auch hier sind Frauen und Mädchen besonders betroffen. Systematische Vergewaltigung ist eine häufig angewandte Kriegsstrategie.

KRIEG WURDE UND WIRD AUCH IMMER AUF DEN KÖRPERN VON FRAUEN AUSGETRAGEN! Dennoch ist sexualisierte Kriegsgewalt kein anerkannter Asylgrund.

Viele Frauen und Mädchen fliehen alleine oder mit Kindern. Auf der Flucht sind gerade sie weiterhin von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung sowie Menschenhandel bedroht. Etwa  30% der Frauen berichten von Vergewaltigungen während der Flucht, doch die Dunkelziffer ist höher, da aus Scham häufig geschwiegen wird.

Die Lager an den EU Aussengrenzen stellen für diese schwer traumatisierten Menschen keine sichere Zufluchtsstätte dar. In einem überfüllten Lager wie Moria sind sie nicht selten erneut Opfer von sexualisierter Gewalt und Unterdrückung. Manche Frauen schlafen mit Windeln, da sie nachts aus Angst vor Vergewaltigung nicht auf die Toiletten gehen.

Die sanitäre und hygienische Situation ist verheerend, so mussten sich etwa 117 Menschen eine Toilette und eine Dusche teilen.  Geschlechtergetrennte sanitäre Anlagen waren  nicht vorhanden, ebensowenig wie besondere Schutzräume für Frauen und Mädchen.

Hinzu kommt die Unterversorgung an Menstruationsprodukten, wodurch Frauen und Mädchen negativ in ihrem Gefühl der Sicherheit, ihrer Mobilität – wie den Gang zu den Essensausgabestellen – und ihrer Würde beeinträchtigt werden. Die katastrophalen hygienischen Zustände können zudem bei Menstruierenden zu lebensbedrohlichen Infektionen und Unfruchtbarkeit führen.

Durch die verheerenden Brände in der Nacht vom 08. auf den 09. September hat sich die Lage der Menschen vor Ort weiter dramatisch verschärft. Das für ursprünglich 2800 Menschen ausgelegte Lager, in dem zuletzt noch circa 12-14000 Menschen untergebracht waren, ist nun größtenteils niedergebrannt. Die Menschen sind in die umgebenden Hügel geflohen, die vorher schon menschenverachtenden Lebensbedingungen sind noch unmenschlicher geworden. Wie Menschen vor Ort berichtet haben, wurden die aus dem Feuerinferno fliehenden Menschen von der Polizei mit Tränengas beschossen, damit sie nicht in die umgebenden Städte fliehen und werden zum Teil von Neonazihorden bedrängt. Zudem sollen Helfer*innen von der Polizei abgehalten werden die Geflüchteten mit Wasser und Nahrungsmittel zu versorgen. … All das übersteigt unsere Vorstelllungskraft!

Wie aus anderen Krisensituationen bekannt ist, muss auch hier befürchtet werden, dass insbesondere Frauen und Mädchen hier besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Gewalt, Unterdrückung und  sexualiserte Gewalt nimmt in Krisensituationen zu.

Wir fordern:
– sofortige Evakuierung aller Menschen aus Moria

– Schaffung sicherer Fluchtwege für alle Menschen – Kein Ertrinken im Mittelmeer, kein Verdursten in der Wüste und kein Verrecken in überfüllten Lagern und Folterlagern an den EU-Außengrenzen!

– keine Unterbringung von FLINT (Frauen Lesben Intersexuelle Non-Binäre und Transsexuelle) in Sammmelunterkünften und ANKER-Zentren, da diese Menschen aufgrund ihrer hohen Risikoexposition zur Gruppe der besonders schutzbedürftigen Geflüchteten gehören. Sie müssen von der Erstaufnahme in Deutschland bis zur Durchführung des Asylverfahrens spezifische Unterstützung erfahren.

– die Umsetzung der bereits vom Ministerium für Senioren, Frauen und Jugend erarbeiteten
Mindesstandarts zum Gewaltschutz in Sammelunterkünften, sowie weitere Evaluation und
Implementierung von Gewaltschutzkonzepten

  Aus und Fortbildung von Mitarbeitenden in Flüchtlingsunterkünften und des BAMF bzgl.
Gewaltprävention und traumasensiblen Arbeitsansätzen

– den Zugang zu medizinischer, psychologischer bzw. psychosozialer
Unterstützung für geflüchtete Frauen

Die Aufnahmerichtlinie  der EU (2013/33/EU) bzgl. Erkennung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter muss hier umgesetzt werden.  FLINT, die aufgrund geschlechtsspezifischer Gewalt und Verfolgung  aus ihrer Heimat geflohen sind und bei denen eine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Richtlinie 2013/33/EU festgestellt werden muss, muss ein Aufenthaltsstatus gewährt werden. Dies muss unabhängig davon erfolgen, ob das Herkunftsland als sicher gilt oder nicht. Sie sind grundsätzlich einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.

Die Verschlechterung der Bleibeperspektive für FLINT aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern führt dazu, dass sie erneut diskriminiert werden.

ES GIBT FÜR FRAUEN MÄDCHEN ABER AUCH FÜR MENSCHEN, DIE SICH NICHT IN EIN BINÄRES GESCHLECHTERMODELL PRESSEN LASSEN KEIN SICHERES HERKUNFTSLAND!