10 Jahre NSU Selbstenttarnung

Am 4. November 2021 jährt sich zum zehnten Mal die Selbstenttarnung des NSU.

Die Ermordung der aus migrantischen Communities stammenden
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat sowie der Polizistin Michèle Kiesewetter, im Zeitraum zwischen 2000 und 2007, reihte sich scheinbar lediglich in den Kanon Rechter Gewalt seit dem Wendejahr 1990 mit bis dahin 189 Todesopfern ein. Beginnend mit der Ermordung von Mahmud Azhar im März 1990, der Tötung Amadeu Antonio Kiowas im Dezember des selben Jahres, über die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda, die Brandanschläge in Mölln und Solingen, bis zu den Ermordungen von Alberto Adriano und Oury Jalloh.
Die jahrzehntelange Verharmlosung rechter Strukturen, journalistische Hetze gegen sogenannte „Asylanten“, sowie von staatlicher Seite bewusst
eingesetzte rassistische Agitation, schufen eine scheinbare Legitimation für die xenophobe und rassistisch motivierte, immer fortschreitendere Radikalisierung des Rechten Milieus und erreichte mit den Taten des NSU seinen – vorläufigen – Höhepunkt:
Ein kollaborierendes rechtsterroristisches Netzwerk, bestehend aus lokal,
bundes- und europaweit agierenden nazistischen Unterstützer:innen, V-Leuten des Verfassungsschutzes und rechten, sowohl passiv als auch aktiv sympathisierenden Mitgliedern der Polizeistrukturen, ermöglichte das über Jahre hinweg durchgeführte Ausspionieren möglicher Opfer, Planung und Durchführung der Morde.
Die kulturalistische Ideologie der deutschen Mehrheitsgesellschaft, sowie der institutionelle Rassismus von Legislative, Judikative und Exekutive führten zu einer Täter-Opfer-Umkehr und einem damit verbundenen emotionalen Missbrauch der Hinterbliebenen.
Von dem mehr als fünf Jahre dauernden Prozess erhofften sich Hinterbliebene und Gesellschaft eine lückenlose Aufklärung der Hintergründe und Kausalitäten, wurden jedoch ein weiteres Mal enttäuscht.
Beweismittel verschwanden, Zeugen verstarben, die Rolle der V-Leute wurde negiert, Unterstützer kamen aufgrund ihrer Seilschaften straflos oder mit geringen Strafmaßen davon, Unterstützerinnen wurden gar nicht erst angeklagt, da sie auf geschlechterstereotypische Klischees reduziert wurden. Auch die Urteilsbegründung zur Hauptangeklagten weist dieser nicht in vollem Maße Verantwortung zu, sondern belässt diese maßgeblich bei den zwei verstorbenen Mittätern.
Das Gericht konnte – oder wollte –  sämtliche Hintergründe nicht aufklären und begnügte sich mit der Verurteilung der wenigen Angeklagten im Terrornetzwerk als Abschluss des Verfahrens – trotz zahlreicher noch ausstehender Fragen.

Wir fragen:
Warum haben Ermittlungsorgane rassistische Motive über 7 Jahre konsequent übersehen, während eine neonazistische Bande Mordtaten, bewaffnete Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge beging?
Warum wurde ausschließlich im Umfeld der Hinterbliebenenfamilien ermittelt, obwohl schon früh Erkenntnisse über rassistische Hintergründe vorlagen?
Warum wurden die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern aktiv an ihrer Untersuchungstätigkeit gehindert?
Warum wurden relevante Akten für Jahrzehnte gesperrt?
Warum wurden die Menschen auf der Todesliste des NSU nicht informiert?
Warum wurde die Verstrickung des Verfassungsschutz mit seinen V-Leuten in der Mordserie nicht aufgeklärt?
Warum warten die Hinterbliebenen bis heute auf eine Entschuldigung
bezüglich der voreingenommenen und demütigenden Polizeiarbeit?
Wer war noch Teil des NSU?
Wieviele ungeklärte Attentate und Morde gehen noch auf das Konto des NSU?

Wir fordern:
Die lückenlose Aufklärung der Taten!
Die Aufdeckung und Bekämpfung Rechter Netzwerke auch in Polizei und
sogenannten „Sicherheitsbehörden“!
Die Öffnung der für Jahrzehnte verschlossenen Akten!
Die Aufklärung der Verstrickung von V-Leuten wie A. Temme in die Mordserie!
Die Abschaffung des Verfassungsschutzes!
Die angemessene Anerkennung und Entschädigung der Opfer!
Die Einsetzung weiterer NSU-Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern!
Die Aufarbeitung von institutionellem Rassismus in Ermittlungs- und
Sicherheitsbehörden!

Auch 2021 KEIN VERGEBEN – KEIN VERGESSEN – KEIN SCHLUSSSTRICH

 

Redebeitrag 12.09.2020 „Zur Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten“

Ein Text zur Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten und ihr nur vermeintlich emanzipatorisch-feministisches Agieren

Seit Jahrhunderten wird Frauen eigenständig motiviertes Denken und Handeln abgesprochen. Emanzipierten sich Frauen im Laufe der Zeit jedoch zunehmends sexuell, gesellschaftspolitisch und ökonomisch, traten im Zuge der Suffragetten-Bewegung auch öffentlich für ihre Rechte ein und erkämpften sich das Wahlrecht, sowie in der Weimarer Republik erstmalig auch Sitze im Parlament, so erfuhren die erkämpften Privilegien mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Beschneidung und letztendlich ihre Negierung. Der Doktrin des NS folgend, hatte die Frau ihrem Mann gehorsam zu folgen, ihm den Rücken zu stärken, Kinder zu gebären und zu erziehen und somit den Erhalt des Deutschen Volkes zu garantieren. Zum Rollenbild der Frau gehörte, dass sie niemals als eine Persönlichkeit wahrgenommen wurde, die intrinsisch politisches Bewusstsein entwickelte und dementsprechend eigenmotiviert handelte. Folgerichtig wurde eine Frau lediglich als das Anhängsel ihres Mannes registriert und über ihre Rolle als treusorgende Ehefrau und Mutter definiert.

Diese Wahrnehmung unterliegt historischer Kontinuität und verschwand nicht mit dem Fall Nazideutschlands am 8. Mai 1945. Schon in den ersten NS-Prozessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs kristallisierte sich heraus, dass Frauen als Täterinnen nur marginal als solche identifiziert wurden. Charakterisiert als ideologisch Verführte, dem Mann hörige Person, wurden sie in der Regel noch milder verurteilt als die wenigen vor Gericht gebrachten männlichen Nazis, oder gar nicht zu Rechenschaft gezogen.

Dass Rechte Frauen durchaus auch in der BRD militant agierten und agieren, z.B. den Deutschen Aktionsgruppen oder der Kameradschaft Süd, wird nicht kolportiert, da die Szene männlich geprägt ist. Stärke, Macht, Herrschaft, Willenskraft, Dominanzstreben und Überlegenheitsphantasien entsprechen dem traditionellen Männerbild und werden nicht in Beziehung zu agierenden Frauen gesetzt. Die zur Kerngruppe der Kameradschaft Süd gehörenden Frauen, welche Sprengstoff und Waffen lagerten, wurden 2004 vor Gericht lediglich als Mitläuferinnen eingeordnet. Auch die Beziehung der NSU-Terroristin Beate Zschäpe zu Uwe Mundlos wurde lange Zeit auf eine emotionale Abhängigkeit reduziert, politische Motivation zur Ausführung ihrer Taten wurde ihr erst zugesprochen aufgrund der kontinuierlichen, intensiven Recherche antifaschistischer Gruppen, so dass Zschäpe letztendlich als Täterin verortet und verurteilt werden konnte.

Das Klischee der unpolitischen Frau wird auch heute noch immer in vielen Gesellschaftskreisen unreflektiert reproduziert. Feminine – nicht feministische Gruppen – Rechter Frauen greifen dieses Klischee auf, benutzen es und profitieren von ihm. So titulieren sich die Mitglieder des Ring Nationaler Frauen, einer Organisation der NPD, als „antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu“. Sie propagieren die „naturgegebene Verpflichtung als deutsche Mutter“, knüpfen damit direkt am traditionellen, patriarchalen Rollenbild des NS an und versuchen es zu kolportieren. Die Frauen stilisieren sich als zivilgesellschaftliche Aktivistinnen, engagieren sich in Bürger*inneninitiativen, Elternbeiräten, Hausaufgabenhilfen oder Hartz IV-Beratungsstellen und unterwandern diese ideologisch. Mittels bewusster Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt werden Privates und Politisches stark miteinander verwoben. Durch die so stattfindende kulturelle Subversion kann ein breiter, gesellschaftspolitischer Konsens erwirkt werden.

Eine weitere feminine Gruppe ist die der Völkischen. Aufgrund der vermeintlichen Sicherung des Fortbestandes der „auserwählten Rasse“ erfahren diese Frauen ein hohes Maß an Berechtigung und Anerkennung innerhalb ihrer Szene. Ihr Außer-Haus politisches Engagement beschränkt sich -neben der Teilnahme und Ausrichtung diverser völkischer Feste- auf die Teilnahme am 1000-Kreuze-Marsch und den Kampf gegen Abtreibung.

Wiederum eine Kategorie bilden Rechte Frauen, die rein stilistisch dem hippen Mainstream entsprechen, über Soziale Medien Einfluss nehmen und den Nationalen Widerstand ästhetisieren. Ihr Auftreten wird bewusst völlig unpolitisch und harmlos inszeniert, so dass sie vollkommen unverdächtig wirken und ihre Indoktrination scheinbar nebenher vollziehen. Themen wie Erziehung, Familie, Sexualität oder Gewalt gegen Frauen werden antifeministisch aufgeladen. Da Antifeminismus gesellschaftlich anschlussfähig ist, können diese Aktivistinnen in einem breiten Spektrum wirken und genießen hierdurch ein sicheres Standing innerhalb der Rechten Szene. Ziel ihrer Strategie ist eine Verschiebung von Tabus, verbal oder in Taten. Menschenverachtende Äußerungen werden normalisiert und ebnen den Weg für gewalttätige Handlungen. So nutzen diese Frauen zum Beispiel die #metoo-Debatte zur Infiltration des gesellschaftlichen Mainstreams: bei der #metoo-Debatte engagieren sich Frauen weltweit gegen Vergewaltigung und Femizide. Die rechten Socialmedia-Blogerinnen stilisieren die deutsche Frau als Opfer ausländischer, muslimischer Täter. Aus Einzelfällen wird ein kulturalistischer, rassistischer Generalverdacht formuliert, dem europäischen Politikestablishment wird die Verantwortung für sogenannte Überfremdung zugewiesen und sekundär somit für die hieraus angeblich resultierenden Taten. Emotion verknüpft mit Ideologie par Excellence!

Die NPD setzt auch im aktuellen Wahlkampf auf das tradierte Familienschema und propagiert auf ihren Wahlplakaten Vater – Mutter – Kind : VATERland, MUTTERsprache, KINDERglück Ariane Meise , NPD-OB-Kandidatin für Bochum, hetzt gegen „kulturfremde Männer“ und reproduziert kulturalistische, patriarchale Ressentiments gegen migrantische Männer, da diese Stereotypen von der Mitte der Gesellschaft geteilt und akzeptiert werden und Wähler*innenstimmen versprechen. Letztendlich entlarvt sie den Status der NPD-Frauen und den der rechten und rechtspopulistischen Frauen der Gesellschaft: die geballte Projektion dieser Vorurteile führt dazu, dass patriarchale Strukturen in der breiten Masse der Gesellschaft oder des eigenen engen Umfelds weniger wahrgenommen werden.

Auch für die AfD imaginiert die Familie den Sehnsuchtszustand der traditionellen, binären Rollenzuschreibung. Für die AfD stellt die Familie die „Keimzelle der Nation“ dar. Deutsche Werte können nur innerhalb einer traditionellen, intakten Familie vermittelt werden. Geflüchtete oder migrierte Familien mutieren zu einer Bedrohung des Volkskörpers. Dem zu erwartenden demographischen Problem stellt die Partei die Forderung nach mindestens drei Kindern pro Familie entgegen, kombiniert mit steuerlichen Vorteilen für Kinderreiche. Alternative Lebensformen wie Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder gar kinderloser Paare, sollen steuerrechtlich bestraft werden. Seit einiger Zeit wird innerhalb der AfD das sogenannte Familienwahlrecht diskutiert, bei dem die Eltern pro minderjährigem Kind eine weitere Stimme verbuchen können.

Die Gleichstellung der Geschlechter bedeutet für Mitglieder der AfD ein totalitäres Gesellschaftsexperiment, das zur Auflösung der vermeintlich natürlichen Geschlechter und der binären Ordnung führe. Gleichstellungsgremien an Unis sollen abgeschafft werden, ebenso wie Sexualkundeunterricht an Grundschulen, da dieser für Früh- oder Hypersexualisierung verantwortlich gemacht wird und somit zu einer Entwertung des klassischen Familienbildes beiträgt. Des weiteren propagiert der Landesverband NRW versuchsweise eine duale Trennung von Jungen und Mädchen im Unterricht, sowie die Abschaffung jeglicher Geschlechterquoten, da diese Männer diskriminiere.

Unser Fazit: Frauen der Extremen Rechten agieren sehr wohl mit eigener politischer Bewusstheit, unterwerfen sich jedoch tradierten, patriarchalen Mustern, um das Überleben des Deutschen Volkes zu sichern und reproduzieren kulturalistische, sexistische, homophobe, rassistische Stereotype. Obwohl sie sich vermeintlich für die sozialen und politischen Belange von Frauen einsetzen, zementieren sie lediglich eine binäre, patriarchale Geschlechterordnung, welche die Unterdrückung von Frauen sowohl begründet, als auch weiter tradiert.

Wir, die feministische Antifa, feminist struggle bochum, fordern ein selbstbestimmtes Leben eines jeden Menschen jenseits gesellschaftlicher Zwänge! Wir fordern den Aufbau einer egalitären Gesellschaft! Wir fordern alle auf mit uns für das Ende des Patriarchats zu kämpfen! Und heute fordern wir zusätzlich die verfuckte Regierung dieses Staates auf: Beendet das Elend auf Lesbos! Öffnet die Grenzen!

Redebeitrag 10.09.2020 „Frauen und Flucht“

Frauen und Flucht

Ein feministischer Redebeitrag für den 10.09.20

Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks sind circa 50% der Geflüchteten Frauen und Mädchen. Sie fliehen vor politischer oder religiöser Unterdrückung, Krieg, Umweltzerstörung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, aber sie fliehen auch vor  geschlechtsspezifischer Unterdrückung, sexueller und häuslicher Gewalt, Zwangsverheiratung, Vielehe, Witwenverbrennung und Genitalverstümmlung. Weitere Fluchtgründe sind systematische Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder die Verfolgung von Inter- und Transmenschen. Krisensituationen wie Krieg aber auch Pandemien führen zur Auflösung gesellschaftlicher und sozialer Strukturen mit zunehmender Gewaltbereitschaft. Auch hier sind Frauen und Mädchen besonders betroffen. Systematische Vergewaltigung ist eine häufig angewandte Kriegsstrategie.

KRIEG WURDE UND WIRD AUCH IMMER AUF DEN KÖRPERN VON FRAUEN AUSGETRAGEN! Dennoch ist sexualisierte Kriegsgewalt kein anerkannter Asylgrund.

Viele Frauen und Mädchen fliehen alleine oder mit Kindern. Auf der Flucht sind gerade sie weiterhin von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung sowie Menschenhandel bedroht. Etwa  30% der Frauen berichten von Vergewaltigungen während der Flucht, doch die Dunkelziffer ist höher, da aus Scham häufig geschwiegen wird.

Die Lager an den EU Aussengrenzen stellen für diese schwer traumatisierten Menschen keine sichere Zufluchtsstätte dar. In einem überfüllten Lager wie Moria sind sie nicht selten erneut Opfer von sexualisierter Gewalt und Unterdrückung. Manche Frauen schlafen mit Windeln, da sie nachts aus Angst vor Vergewaltigung nicht auf die Toiletten gehen.

Die sanitäre und hygienische Situation ist verheerend, so mussten sich etwa 117 Menschen eine Toilette und eine Dusche teilen.  Geschlechtergetrennte sanitäre Anlagen waren  nicht vorhanden, ebensowenig wie besondere Schutzräume für Frauen und Mädchen.

Hinzu kommt die Unterversorgung an Menstruationsprodukten, wodurch Frauen und Mädchen negativ in ihrem Gefühl der Sicherheit, ihrer Mobilität – wie den Gang zu den Essensausgabestellen – und ihrer Würde beeinträchtigt werden. Die katastrophalen hygienischen Zustände können zudem bei Menstruierenden zu lebensbedrohlichen Infektionen und Unfruchtbarkeit führen.

Durch die verheerenden Brände in der Nacht vom 08. auf den 09. September hat sich die Lage der Menschen vor Ort weiter dramatisch verschärft. Das für ursprünglich 2800 Menschen ausgelegte Lager, in dem zuletzt noch circa 12-14000 Menschen untergebracht waren, ist nun größtenteils niedergebrannt. Die Menschen sind in die umgebenden Hügel geflohen, die vorher schon menschenverachtenden Lebensbedingungen sind noch unmenschlicher geworden. Wie Menschen vor Ort berichtet haben, wurden die aus dem Feuerinferno fliehenden Menschen von der Polizei mit Tränengas beschossen, damit sie nicht in die umgebenden Städte fliehen und werden zum Teil von Neonazihorden bedrängt. Zudem sollen Helfer*innen von der Polizei abgehalten werden die Geflüchteten mit Wasser und Nahrungsmittel zu versorgen. … All das übersteigt unsere Vorstelllungskraft!

Wie aus anderen Krisensituationen bekannt ist, muss auch hier befürchtet werden, dass insbesondere Frauen und Mädchen hier besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Gewalt, Unterdrückung und  sexualiserte Gewalt nimmt in Krisensituationen zu.

Wir fordern:
– sofortige Evakuierung aller Menschen aus Moria

– Schaffung sicherer Fluchtwege für alle Menschen – Kein Ertrinken im Mittelmeer, kein Verdursten in der Wüste und kein Verrecken in überfüllten Lagern und Folterlagern an den EU-Außengrenzen!

– keine Unterbringung von FLINT (Frauen Lesben Intersexuelle Non-Binäre und Transsexuelle) in Sammmelunterkünften und ANKER-Zentren, da diese Menschen aufgrund ihrer hohen Risikoexposition zur Gruppe der besonders schutzbedürftigen Geflüchteten gehören. Sie müssen von der Erstaufnahme in Deutschland bis zur Durchführung des Asylverfahrens spezifische Unterstützung erfahren.

– die Umsetzung der bereits vom Ministerium für Senioren, Frauen und Jugend erarbeiteten
Mindesstandarts zum Gewaltschutz in Sammelunterkünften, sowie weitere Evaluation und
Implementierung von Gewaltschutzkonzepten

  Aus und Fortbildung von Mitarbeitenden in Flüchtlingsunterkünften und des BAMF bzgl.
Gewaltprävention und traumasensiblen Arbeitsansätzen

– den Zugang zu medizinischer, psychologischer bzw. psychosozialer
Unterstützung für geflüchtete Frauen

Die Aufnahmerichtlinie  der EU (2013/33/EU) bzgl. Erkennung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter muss hier umgesetzt werden.  FLINT, die aufgrund geschlechtsspezifischer Gewalt und Verfolgung  aus ihrer Heimat geflohen sind und bei denen eine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Richtlinie 2013/33/EU festgestellt werden muss, muss ein Aufenthaltsstatus gewährt werden. Dies muss unabhängig davon erfolgen, ob das Herkunftsland als sicher gilt oder nicht. Sie sind grundsätzlich einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.

Die Verschlechterung der Bleibeperspektive für FLINT aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern führt dazu, dass sie erneut diskriminiert werden.

ES GIBT FÜR FRAUEN MÄDCHEN ABER AUCH FÜR MENSCHEN, DIE SICH NICHT IN EIN BINÄRES GESCHLECHTERMODELL PRESSEN LASSEN KEIN SICHERES HERKUNFTSLAND!

Widerständige Frauen in Bochum und Witten

Heute vor 75 Jahren wurde Europa und die Welt von der mörderischen Nazi-Diktatur befreit. Aus diesem Anlass wollen wir der Frauen gedenken, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihr Leben riskiert haben. In Bochum und Witten sind in der Nacht zum 08.05.2020 Silhouetten von Widerstandskämpferinnen angebracht worden. Im folgenden Beitrag werden die persönlichen Geschichten dieser Frauen erzählt.

Widerständige Frauen in Bochum und Witten

“Zeigen wir unseren Feinden durch einen wuchtigen, geschlossenen, unermüdlichen Einsatz, dass sie in dieser Frau alle Frauen, in dieser Mutter alle Mütter, in dieser Kämpferin für den Frieden – den Frieden selbst schänden.”
Aufruf von Anna Seghers in der Pariser Tageszeitug 1937 nach der Verurteilung der Widerstandskämpferin Lieselotte “Lilo” Herrmann. Lilo Herrmann wurde am 20. Juni 1938 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet.

„Dass ich noch lebe, verdanke ich jenen Menschen, die bereit waren einen
 Verfolgten aufzunehmen. In der Mehrzahl waren es Frauen.“ Überlebender

Erneut möchten wir an die Frauen erinnern, die während der nationalsozialistischen Diktatur in Bochum aktiv Widerstand leisteten und diesen mit Haft, Folter, Emigration oder ihrem Leben bezahlen mussten. Zumeist waren es politisch organisierte Frauen aus der Arbeiter*innenbewegung wie Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen, aber auch Jüdinnen, christlich und humanistisch geprägte Frauen.

Jahrzehnte nach der Kapitulation Nazideutschlands werden ihre Akte des Widerstandes noch immer marginalisiert.

Bisherige Darstellungen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus stellen vor allem Männer in den Fokus. Sie standen in der Regel im Vordergrund und prägen das Bild der Gegner Hitlers bis heute. Der Blick auf die Frauen, die entweder „dahinter“ standen oder aber auch eigene Formen des Widerstandes entwickelten, kommt dabei bislang zu kurz.
Als sich nach der Zerschlagung des nationalsozialistischen Regimes, den durch Teile der Alliierten eingeführten didaktischen Demokratisierungsmaßnahmen, der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, eine Verdrängung der deutschen Taten einsetzte und das Täter*innenvolk endlich wieder seine angestrebte Lebensnormalität zelebrieren durfte, galt jeder Mensch, der Widerstand geleistet hatte, in der gesellschaftlichen Mehrheit als „Verräter“.
Es dauerte Jahrzehnte bis bürgerliche, sozialdemokratische und christliche Widerstandsgruppen von der Bevölkerung rehabilitiert und nachfolgend zur Schreibung des Narratives eines „Deutschlands als Erinnerungsweltmeister“ instrumentalisiert wurden.
Die Wertschätzung jüdischer, kommunistischer, oder gar anarchistischer Widerständler, dauerte – auch innerhalb des bildungspolitischen Milieus – weitere Jahrzehnte.
Gerade die Anerkennung zionistischen Widerstandes wurde und wird noch immer, durch antisemitische Stereotype kommentiert und bewertet. Die Eigenermächtigung der vermeintlich in die Opferrolle gedrängten jüdischen Kämpfer*innen und ihr Ziel des Aufbaus eines jüdischen Staates, wurde und wird permanent hinterfragt. Die Kontinuität der abgesprochenen Legitimation der Existenz des Staates Israel zieht sich bis in die Gegenwart durch viele Spektren der Gesellschaft, insbesondere jedoch links-liberaler Identitäten, und erlebt in Bochum gerade ihren Höhepunkt mit der Diskussion der Einladung des BDS-Unterstützers Achille Mbembes durch die Intendantin der Ruhr-Triennale, Stefanie Carp, die (geplante) Eröffnungsrede dieses Festivals zu halten.

Der von Frauen geführte Widerstand wurde in der Regel von der deutschen Mehrheitsgesellschaft als passiver Akt kolportiert. Frauen pflegten Verwundete, versorgten und versteckten Geflüchtete, schrieben Flugblätter und transportierten diese in Kinderwagen, dechiffrierten Botschaften des nationalsozialistischen Regimes und hielten Funkkontakt mit der Sowjetunion.
Aber auch aktiver Widerstand wurde von Frauen geleistet. So blockierten beispielsweise die „Frauen der Rosenstraße“ in Berlin das Gebäude der jüdischen Sozialverwaltung. Sie verzögerten hierdurch die Deportation mehrerer Tausend Jüdinnen und Juden und konnten letztlich 25 Menschenleben retten. Erwähnt seien auch die massenhaften Akte der Sabotage der Rüstungsindustrie, durchgeführt von Zwangsarbeiterinnen.
In den Narrativen der Nachkriegszeit wurden Widerstandskämpferinnen oft als widernatürlich angesehen, da sie nicht dem ihnen zugedachten Bild einer sanftmütigen, aufopferungsvollen Frau und Mutter entsprachen. Somit wurden sie als Bedrohung der patriarchalen Verhältnisse wahrgenommen. Viele der Frauen, die gegen das nationalsozialistische Regime kämpften, hatte schon in der Weimarer Republik traditionelle Geschlechterrollen durchbrochen und Ansätze emanzipatorischen Lebens erkämpft. Historikerinnen konnten in den Biografien dieser Frauen auch nach dem Krieg Kontinuitäten des widerständigen Engagement nachweisen, z.B. im Kampf gegen Rassismus, Kolonialismus und Krieg sowie für Geschlechtergerechtigkeit.1

Da das Frauenbild der Deutschen – ausgehend von seiner starken Prägung während des Nationalsozialismus – bis heute in Teilen eine gewisse Kontinuität aufweist, kommt der Erinnerung an Widerstandskämpferinnen besondere Bedeutung zu.
Die Negation ihrer Namen, ihrer Persönlichkeiten und ihrer Widerstandsakte bedeutet Geschichtsrevisionismus, denn es wird unterschlagen, dass sie sich gegen den ihnen zugedachten Rollenstatus und gegen Herrschaftsnormen auflehnten.
Frauen sind keine „Frau, Freundin, Verlobte von…“!
Frauen sind eigenständig denkende und agierende politische Subjekte!

Widerstandskämpferinnen mischten sich politisch ein, übernahmen Verantwortung und versuchten ihre und die Zukunft anderer aktiv und emanzipatorisch zu gestalten!
Ihnen gilt unsere Hochachtung und unser Dank.

Unseren Respekt möchten wir heute aber besonders auch den Frauen* der Kampagne „Ni una más“ aussprechen, welche die schon tradierte Durchführung zig tausender Femizide an die Öffentlichkeit brachten und sich mit all ihrer Kraft ihrer ihnen zugedachten Rollenzuweisung widersetzen und für ihr selbstbestimmtes Leben eintreten!
Gerade in der Gegenwart sollten sie uns daran erinnern, dass wir als Feminist*innen uns weder mit dem normativen Zustand der Gesellschaft zufrieden geben, noch dass wir dem Rollenklischee der AfD, anderer rechtspopulistischer Organisationen, rechter Bündnisse, aber auch dem rechts-konservativen Mainstream nicht entsprechen und uns seiner misogynen, sexistischen, homophoben, antisemitischen, rassistischen Ideologie niemals unterwerfen werden!

Viele Frauen, die Widerstand leisteten, sind bis heute nicht bekannt. Dennoch wollen wir ihrer Gedenken und unseren Respekt zollen. Exemplarisch, auch für jene unbekannte Widerstandskämpferinnen, stellen wir hier einige Biografien vor:

Else Hirsch, 29. Juli 1889 – 1943 (Ghetto Riga)

Else Hirsch wurde am 29. Juli 1889 in Bützow in Mecklenburg-Schwerin geboren. Als Lehrerin wurde sie 1927 per Zuweisungsbescheid durch das Fürsorgeamt nach Bochum versetzt, um an der Israelitischen Schule der jüdischen Gemeinde zu arbeiten. Auch wenn sie über die Versetzung anfangs nicht begeistert war, berichteten Überlebende, dass sie sich dennoch mit viel Elan und Herzblut an ihre neue Aufgabe machte und so, trotz ihres unscheinbaren Äußeren und ihrer als etwas “schrullig” beschriebenen Art, schnell die Herzen der Kinder und den Respekt der Kollegen gewann. Sie galt als streng aber auch gerecht und verantwortungsvoll. Die oft zurückhaltend und schüchtern wirkende Frau bewies häufig großes Organisationstalent und Willensstärke. So organisierte sie, neben dem regulären Unterricht und der Pflege ihrer kranken Mutter, außerschulischen Englisch- und Hebräischuntericht und bereitete so die Menschen auf ein Leben im Exil vor. Ferner engagierte sie sich im jüdischen Frauenverein Bochum.

Nach dem Pogrom vom 9. November 1938, bei der auch die Synagoge abgebrannt und die Schule durch die wütenden SA-Horden verwüstet wurde, musste die Schule zunächst schießen. Else Hirsch kämpfte für die Wiedereröffnung der Einrichtung, was ihr 1939 auch zeitweilig gelang. Die Schule konnte für kurze Zeit ihre Tätigkeit als Privatschule wieder aufnehmen. Da die meisten jüdischen Familien zu diesem Zeitpunkt bereits emigriert oder untergetaucht waren, unterrichtete sie in dieser Zeit nur noch etwa 25 Schülerinnen und Schüler.
Von 1938 bis 1939 organisierte Else Hirsch zusammen mit der Gemeindesekretärin Erna Philipp Kindertransporte von Bochum nach England und Holland und rettete auf diese Weise mehr als siebzig Kindern aus Bochum und Herne das Leben. Diese Kinder waren oft die einzigen Überlebenden ihrer Familien. Erna Philipp blieb mit dem letzten Transport in England und konnte ihr Leben retten. Aus Sorge um die verbleibenden Kinder blieb Else Hirsch indessen in Bochum. Ob sie auch ihre eigene Flucht geplant hatte, ist ungewiss. Die Grenzschließungen mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges machten weitere Ausreisungen nahezu unmöglich. Else Hirsch musste in ein so genanntes “Judenhaus” ziehen, in denen die Menschen unter unwürdigen Bedingungen zusammengepfercht wurden. Die jüdische Privatschule wurde dann 1940 endgültig geschlossen.
Else Hirsch wurde zusammen mit anderen Bochumer Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens 1942 nach Riga deportiert. Überlebende berichteten, dass Else Hirsch selbst im Ghetto noch Kinder unterrichtete und Kranke pflegte.

Ein Überlebender des Rigaer Ghetto schrieb in einem Brief: “Sie war eine Frau mit großem Mut und großer Hingabe”. Wahrscheinlich starb Else Hirsch Anfang 1943 in Riga.

Else Hirsch hat in dunkelsten Zeiten die Menschlichkeit in Bochum hochgehalten.
Heute erinnern ein Stolperstein, eine Straße und seit 1. August 2019 eine Förderschule in Bochum-Gerthe an die tapfere und mutige Lehrerin, die Fluchthelferin für viele Kinder war und dabei ihr eigenes Leben opferte.

Lore Agnes, geb. Benning * 4. Juni 1876 Bochum Deutschland
† 9. Juni 1953 Köln Deutschland

Zitat: “Das Recht, unsere Fraueninteressen zu vertreten, haben wir, und unsere Aufgabe ist es nun, dahin zu wirken, dass unsere Gleichberechtigung mit dem Manne und damit das Wahlrecht uns eingeräumt wird.”

Lore Agnes stammt aus einer Bochumer Bergarbeiterfamilie, der Vater starb früh und sie musste daher sehr jung als Dienstmädchen hart arbeiten. Die während dieser Zeit erfahrenen Härten und sozialen Ungerechtigkeiten bewirkten, dass sie gegen ungleiche gesellschaftliche Bedingungen politisch aktiv wurden und sich insbesondere für Frauenrechte einsetzte.
Zu Fuß lief Lore Agnes von Ort zu Ort, um weibliche Dienstboten anzusprechen und sie über ihre Rechte aufzuklären. 1906 war sie maßgeblich an der Gründung des “Verbandes der Hausangestellten” beteiligt. Noch im selben Jahr heiratete sie den Gewerkschaftssekretär Peter Agnes, womit ihre Dienstmädchenzeit beendet war. Später wurde sie die Mutter von zwei Kindern.
Politisch wurde Lore Agenes stark von den damals prominenten Frauenrechtlerinnen und Sozialistinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg beeinflußt. Als Frauenrechtlerin wurde sie 1907 zur Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauenbewegung gewählt.

Lore Agnes Clara Zetkin Mathilde Wurm vor dem Reichstag Berlin

Sie war als überzeugte Pazifistin und Kriegsgegnerin in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg aktiv und wurde 1914 nach einer Rede während einer Friedenskundgebung in Düsseldorf, bei der sie alle Frauen zum Widerstand gegen den Krieg aufforderte, für mehrere Wochen inhaftiert. Das hinderte sie jedoch nicht daran, sich weiterhin für Frieden, Frauenrechte und gegen soziale Ungleichheit einzusetzen. 1915 nahm Lore Agnes an der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Bern teil. 1917 wurde sie auf dem Weg nach Zürich zu einer internationalen Frauenkonferenz erneut verhaftet, angeblich weil sie ohne Papiere auszureisen versuchte.
1917 schloss sie sich der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) an und wurde rasch ein zentrales Mitglied in der Leitung der Partei. Von 1917 bis zum Verbot 1933 war sie Reichstagsabgeordnete der USPD (bzw. nach der Wiedervereinigung mit der MSPD Abgeordnete der SPD).
Intensiv setzte Lore Agnes sich für die Förderung von Familien ein.
Nach der so genannten Machtergreifung der Nazionalsozialisten und dem kurz darauf folgenden Verbot der SPD tauchte Lore Agnes unter und leistete illegale Parteiarbei und politische Arbeit im Widerstand. Insgesamt kam sie deshalb dreimal in Haft, kam aber immer wegen schwerer Erkrankung wieder frei. Die letzte Inhaftierung war im Rahmen einer großen Verhaftungswelle 1944 nach dem fehlgeschlagenen Attentat vom 20. Juli auf Adolf Hitler. Nur knapp entkam die mittlerweile 68-jährige der Verlegung in das Konzentrationslager Ravensbrück.
Nach dem Krieg beteiligte sich Lore Agnes maßgeblich am Wiederaufbau der SPD und der Arbeiterwohlfahrt in Düsseldorf. So war sie ab 1945 Mitglied des Stadtrates von Düsseldorf. Buchstäblich bis zu ihrem Tod blieb sie eine aktive Frauenrechtlerin. Am 9. Juni 1953 starb sie während einer Frauenkonferenz der SPD in Köln.
In Düsseldorf, Essen und Radevormwald sind Häuser und Kindergärten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) nach ihr benannt. In Düsseldorf und Duisburg tragen Straßen ihren Namen. Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) verleiht den “Lore-Agnes-Preis” für Projekte der Gleichstellung von Frauen.

Christine Schröder, geb. Giboni. *06.09.1900 – +02.02.1980

Christine Giboni kam aus einer Arbeiterfamilie, als junge Frau musste sie harte körperliche Arbeit in einer Zementfabrik leisten. Mit 19 Jahren heiratete sie den Bergmann Franz Schröder und lebte mit ihm in einem von Bochums “roten Vierteln” im Griesenbruch. Das Paar bekam einen Sohn (Josef Schröder). Schon früh nahm sie regelmäßig an Kundgebungen und Demonstrationen für die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeiter teil. Ihr Mann gründete ein Jahr nach der Hochzeit die Bochumer KPD, der Christine Schröder dann 1928 beitrat. Intensiv kämpfte das Paar gegen den aufkommenden Faschismus. So waren die Eheleute Schröder dabei, als am 20.07.1932 tausende Bochumerinnen und Bochumer auf dem damaligen Moltkemarkt (heute Springerplatz) gegen den Staatsstreich in Preussen demonstrierten.
Bereits kurz nach der Machtübernahme der Nazis wurde Christine Schröder im Sommer 1933 für 27 Tage im Polizeigefängnis Bochum inhaftiert.
Im April 1934 folgte die nächste Verhaftung durch die SS.
Nach ihrer Freilassung im Mai 1934 kämpfte sie weiterhin im antifaschistischen Widerstand. Hier hielt sie vor allem Kontakt zu den Widerstandskämpfern des Bochumer Vereins und übernahm Kurierdienste.
Noch im selben Jahr kam es nach Aufdeckung einer Bochumer Widerstandsgruppe um Karl Springer zu einer großen Verhaftungswelle in Herne, Bochum, Wattenscheid und Essen durch die Gestapo, in diesem Rahmen wurde auch Christine Schröder erneut verhaftet. Der Kopf der Gruppe, Karl Springer, wurde im Bochumer Polizeigefängnis von den Nazis zu Tode geprügelt. Nach ihm wurde 1947 der Springerplatz (vorher Moltkemarkt) benannt.

Der Vorwurf gegen Christine Schröder lautete “Vorbereitung zum Hochverat”. Während dieser Haft wurde sie schwer misshandelt und gefoltert, durch brutale Tritte im Unterleib erlitt sie dauerhafte Schäden und war fortan unfruchtbar.
Das hielt sie nicht davon ab, nach ihrer Freilassung den Kampf gegen den Faschismus wieder auf zu nehmen.
Hier eine Liste ihrer Inhaftierungen:
28.07.1933 – 25.08.1933: Polizeigefängnis Bochum
15.04.1934 – 02.05.1934: Polizeigefängnis Bochum
07.10.1934 – 08.03.1937: U-Haft / Schutzhaft Bochum
10.04.1937 Urteil
08.03.1937 – 08.05.1937: Haft in Hamm
08.05.1937 – 07.04.1938: Verlegung in das Frauenzuchthaus Ziegenhain
Nach dem Krieg wurde am 04.09.1947 ihre “Straftat” (Vorbereitung zum Hochverat) getilgt.
Nach dem Krieg war sie erneut in der KPD aktiv und vertrat die KPD auch im Bochumer Stadtrat bis zum Verbot der Partei 1956. 1968 war sie an der Gründung der DKP in Bochum beteiligt.

Unermüdlich setzte sie sich für die Wiedergutmachung für die vom Naziregime Verfolgten ein, so war sie zum Beispiel Mitbegründerin der VVN (später VVN-BdA) Bochum und deren langjährige Vorsitzende (1952-1966). Im Büro der VVN half sie anderen Betroffenen, Wiedergutmachungsanträge zu schreiben.
Aber auch für ihre eigene Wiedergutmachung kämpfte sie ein Leben lang, sie litt durch die Folter und Misshandlungen unter dauerhaften Unterleibs- und Kopfschmerzen.

Auszug aus dem Staatsarchiv Münster (Entschädigungsakte Reg. Bezirk Arnsberg Nr. 23192): “Es wird heute als unglaubwürdig angenommen, dass überhaupt Männer in der damaligen Zeit sich Frauen gegenüber so brutal benommen haben könen. Von den wirklichen Verbrechern will man heute nichts mehr wissen, weil man sie damals gedeckt hat. (…) Ich lege Beschwerde gegen Ihre Rentenfestsetzung nicht nur der Versorgung wegen, sondern über die Art und Weise, wie man uns heute eingeschätzt und behandelt.”
1978 erhielt sie die Ehrenmedaille des Deutschen Widerstandes.
Auch mehrere Herzinfarkte hielten sie bis zuletzt nicht davon ab, am gesellschaftlichen und politischen Leben, sowie den Aktivitäten der VVN teilzunehmen. Sie verstarb am 02. Februar 1980.

Martha Wink *1921 in Bochum, gestorben am 29.01.1945 in Ravensbrück

Leider ist über Martha Wink nicht viel bekannt. Ihr
 Vater war aktiver Kommunist, weshalb Martha Wink schon früh in 
politische Diskussion und Kämpfe eingebunden war. Sie wurde, nachdem sie 
sich 1943 in einem Café, in Anwesenheit eines ihr bekannten Soldaten, laut gegen die Nationalsozialisten und die Nazidiktatur geäußert
 hatte, noch im Café verhaftet. Vom Polizeigefängnis Bochum aus wurde sie nach Ravensbrück deportiert, wo sie nach 13 Monaten am 29.Januar 
1945 zu Tode kam.

Elisabeth Sievers * 27.06.1885, gestorben am 01.04.1942 in Ravensbrück

Auch über Elisabeth Sievers ist nicht viel bekannt. Sie war aktive
 Sozialdemokratin und wurde aufgrund ihrer politischen Arbeit in das
 Frauen-KZ Ravensbrück deportiert, wo sie am 01.04.1942 starb. Ihre Urne wurde wenig später in Bochum beigesetzt. Als 1967 die „Ehrenstätte für politisch Verfolgte” auf dem Friedhof am Freigrafendamm geschaffen wurde, erfolgte die Umbettung der Urne von Elisabeth Sievers hierhin. Heute erinnert 
ein Kissenstein auf diesem Ehrengräberfeld.

Anna Elfriede Möhrke, geb. Christoph + 29.10.1890 in Groß Gay Abbau (Posen) – + 29.04.1974 in Witten

Elfriede Möhrke lebte von 1915 bis in die 1930er Jahre mit ihrem Mann und ihren 3 Kindern in der damaligen Wilhelmstraße 24, heute Galenstraße. Als aktives Mitglied der KPD in Witten wurde sie im März 1933 in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Dieses Amt konnte sie aber wegen der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht antreten, da diese die Zuteilung der Sitze an die gewählten kommunistischen Vertreter*innen für unwirksam erklärten. Nach der erzwungenen Auflösung der KPD war sie im Wittener Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv. Sie wurde 1935 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Wenige Tage nach der Haftentlassung wurde sie erneut von der Gestapo zunächst im Polizeigefängnis Witten und später in Bochum eingesperrt. Von dort aus wurde sie erst in das Frauen-KZ Moringen bei Hannover und danach in das Frauen-KZ Lichtenburg bei Torgau deportiert. Am 4. Juni 1938 kam Anna Elfriede Möhrke aus dem Konzentrationslager frei. Frau Möhrke überlebte die Verfolgungszeit und wohnte seit 1946 in der Wilhelmstraße 19 und in den 1950er Jahren in der Kirchstraße. Anna Elfriede Möhrke starb am 29. April 1974 in Witten. Heute erinnert ein vom Wittener Friedensforum gestifteter Stolperstein in der Galenstraße an die couragierte Frau.

1 Mit Mut und List, Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, Florence Hervé (Hrsg.), Papy Rossa Verlag, ISBN 978-3-89438

Stellungnahme zur ersten Aktion der f:antifa

Vergangene Woche haben wir als neu gegründete f:antifa Gruppe in Bochum direkte Aktionen in als links gelesenen Räumen durchgeführt. Wir haben die Räume von außen und teilweise auch von innen umgestaltet, um auf uns und unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Dabei haben wir uns zu einigen Räumen (teilweise völlig secret!!) Zugang verschafft, um diese mit lila Konfetti, Transparenten und Flyern zu verschönern. An Fenster oder Fassaden wurden mit lilafarbener Kreidefarbe feministische Parolen angebracht. Die Aktion sollte auffallen und provozieren.

Getroffene Hunde bellen

Seitdem haben uns herzliche Solidaritätsbekundungen erreicht und es wurde sich begeistert über und für die Aktion ausgesprochen.
Die Aktion zog aber auch kritische Stimmen nach sich. Wir finden es sehr bezeichnend, dass diese sich dabei meist hauptsächlich an der Form rieben, die auf Unverständnis und Ärger stieß, anstatt sich auf den Inhalt der Aktion zu beziehen und daran Kritik zu üben. Lila Konfetti und Kreidefarbe sorgen offenbar für mehr Unmut und Diskussion, als die Tatsache, dass sich Aktivist*innen in den Räumen nicht immer wohl fühlen und diese Räume nicht diskriminierungsfrei sind. Es war die Rede von einem „Fantifa-Angriff“; teils wurde versucht, krampfhaft Verantwortliche für die Aktion ausfindig zu machen und in zutiefst bürgerlicher Manier diese zur Verantwortung zu ziehen. Ferner ist uns zu Ohren gekommen, dass einzelne Frauen seit der Aktion gezielt unter Druck gesetzt werden.
Zudem wurde nach der Notwendigkeit der Gruppe oder einem konkreten Ereignis als Anlass der Aktion gefragt.

Bei diesen Fragen ist es uns teilweise schwer gefallen, zwischen echtem Interesse an der Sache und der Frage nach der Legitimität unserer Gruppe zu unterscheiden. Braucht es erst einen konkreten sexistischen Vorfall, um über Sexismus zu sprechen? 1. Wenn kein sexistischer Vorfall bekannt ist, heißt es nicht, dass es keinen Sexismus gibt. 2. Es kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass Sexismus auch tatsächlich von den Betroffenen angesprochen wird. 3. Ein Raum, der scheinbar nicht von Sexismus betroffen ist, kann nur ein solcher bleiben, wenn reflektiert wird, ob seine Macht- und Hierarchiestrukturen flach sind und er für alle Geschlechter angenehm ist.

Was wollen wir?

Unsere Aktion hatte zum Ziel, das Thema Sexismus intensiv auf die Agenda in linken Räumen zu bringen. Offensichtlich ist uns das gelungen. Hätte ein bloßer Appell à la „Bitte lasst uns doch mal unser Verhalten reflektieren“ hier ausgereicht? Würde dann eine solche Diskussion in unseren Räumen stattfinden? Wir betrachten uns als einen Teil dieser Räume. Auch wir nutzen sie regelmäßig und freuen uns, in Bochum und Witten das Glück zu haben, auf sie zugreifen zu können. Nicht ohne Grund entschieden wir uns für Kreidefarbe, die ohne Probleme wieder entfernt werden kann. Es ist nicht in unserem Interesse, den Räumen, sowie den Personen, die dahinterstehen, zu schaden. Argumente, wie die Aktion würde sich negativ auf die linke Bewegung auswirken, lassen eher darauf schließen, dass das Problem Sexismus nicht ernst genommen wird.

Wir haben bewusst auf konkrete Forderungen für die Räume verzichtet, denn diese werden von den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen genutzt. Wir haben nicht überall Einblick. Aber hoffentlich ermöglicht diese Aktion und die Diskussionen drumherum, dass (Hetero)Sexismus oder Unzufriedenheit leichter angesprochen werden können. Wir hoffen, damit einen Prozess anzustoßen, so dass aktive Menschen sich fragen: Gibt es bei uns Sexismus? Und wenn die Antwort nein lautet, dann: Was können wir tun, um Sexismus vorzubeugen?

In Zeiten, wo die extreme Rechte sehr stark ist, ist f:antifa ganz besonders wichtig. Wer das nicht erkennt, hat nicht verstanden, was f:antifa ist. Denn hier liegt einer der Gründe, warum unsere Gruppe gegründet wurde: Wenn die AfD in manchen Gegenden von mindestens einem Viertel der Bevölkerung gewählt wird, erstarkt nicht nur eine Partei, die Neonazis in ihren Reihen duldet und fördert, sondern auch eine Partei, die eine Drei-Kinder-Politik fordert, mühsam erkämpfte Rechte für nicht cis-Männer revidieren möchte und ein Weltbild propagiert, das in letzter Konsequenz zugespitzt gesagt das Heimchen am Herd als die Option für Frauen* parat hält. Nichts gegen Hausfrauen: Wir wollen aber letztlich bitte selbst entscheiden, wie wir unser Leben gestalten. Auf diese Entwicklung vermehrt hinzudeuten, ist eines unserer Ziele. Dass wir dabei für sexistische Verhaltensmuster nicht nur bei rechten Gruppen, sondern auch in der Bewegung sensibilisieren möchten, der wir uns zugehörig fühlen, ist ein Recht, auf das wir auch weiterhin entschieden bestehen werden.

f:antifa takeover!

Hallo! Wir sind die f:antifa Bochum und machen es euch ab sofort unbequem in eurer Komfortzone! Sexismus, Mackertum und sonstiges diskriminierendes Verhalten wird von uns nicht toleriert! Wir sind laut, wir sind wütend, wir brennen!

Feminismus ist nach wie vor erforderlich!
Feministische Kämpfe sind unentbehrlich!
Und zwar immer und überall!

Mobfoto f:antifa bochum

Aus diesem Grund starteten wir in der Nacht auf den 21.11.2019 unsere erste feministische Pöbelaktion und kehrten dabei erstmal vor der eigenen Haustür. Auch in linken Räumen geht es längst nicht so emanzipatorisch und feministisch zu, wie wir es uns wünschen. Verschiedene linke Räumlichkeiten in Bochum und Witten wurden in dieser Nacht von uns auf feministische Art und Weise übernommen!

Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass eine Reflexion der eigenen Verhaltensweisen immer angebracht ist, auch wenn es um linke Kontexte geht. Wir stehen gegen Macktertum und für eine geschlechtersensible Perspektive in allen politischen Zusammenhängen!

Um unsere Vorstellungen deutlich zu machen, gestalteten wir die Räume etwas um und verteilten Flyer mit unseren Forderungen.

An feministische Räume sendeten wir solidarische Grüße und stellten uns mit einem kleinen Dankeschön vor.

Macht euch bereit! Wir wollen uns mit unserer ersten feministischen Pöbelaktion vorstellen, Frauen* in der Antifa mehr Raum geben und den
Fokus auf eine stärkere feministische Perspektive in der
antifaschistischen Politik lenken.

Bis demnächst,
f:antifa – feminist struggle Bochum