Vergangene Woche haben wir als neu gegründete f:antifa Gruppe in Bochum direkte Aktionen in als links gelesenen Räumen durchgeführt. Wir haben die Räume von außen und teilweise auch von innen umgestaltet, um auf uns und unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Dabei haben wir uns zu einigen Räumen (teilweise völlig secret!!) Zugang verschafft, um diese mit lila Konfetti, Transparenten und Flyern zu verschönern. An Fenster oder Fassaden wurden mit lilafarbener Kreidefarbe feministische Parolen angebracht. Die Aktion sollte auffallen und provozieren.
Getroffene Hunde bellen
Seitdem haben uns herzliche Solidaritätsbekundungen erreicht und es wurde sich begeistert über und für die Aktion ausgesprochen.
Die Aktion zog aber auch kritische Stimmen nach sich. Wir finden es sehr bezeichnend, dass diese sich dabei meist hauptsächlich an der Form rieben, die auf Unverständnis und Ärger stieß, anstatt sich auf den Inhalt der Aktion zu beziehen und daran Kritik zu üben. Lila Konfetti und Kreidefarbe sorgen offenbar für mehr Unmut und Diskussion, als die Tatsache, dass sich Aktivist*innen in den Räumen nicht immer wohl fühlen und diese Räume nicht diskriminierungsfrei sind. Es war die Rede von einem „Fantifa-Angriff“; teils wurde versucht, krampfhaft Verantwortliche für die Aktion ausfindig zu machen und in zutiefst bürgerlicher Manier diese zur Verantwortung zu ziehen. Ferner ist uns zu Ohren gekommen, dass einzelne Frauen seit der Aktion gezielt unter Druck gesetzt werden.
Zudem wurde nach der Notwendigkeit der Gruppe oder einem konkreten Ereignis als Anlass der Aktion gefragt.
Bei diesen Fragen ist es uns teilweise schwer gefallen, zwischen echtem Interesse an der Sache und der Frage nach der Legitimität unserer Gruppe zu unterscheiden. Braucht es erst einen konkreten sexistischen Vorfall, um über Sexismus zu sprechen? 1. Wenn kein sexistischer Vorfall bekannt ist, heißt es nicht, dass es keinen Sexismus gibt. 2. Es kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass Sexismus auch tatsächlich von den Betroffenen angesprochen wird. 3. Ein Raum, der scheinbar nicht von Sexismus betroffen ist, kann nur ein solcher bleiben, wenn reflektiert wird, ob seine Macht- und Hierarchiestrukturen flach sind und er für alle Geschlechter angenehm ist.
Was wollen wir?
Unsere Aktion hatte zum Ziel, das Thema Sexismus intensiv auf die Agenda in linken Räumen zu bringen. Offensichtlich ist uns das gelungen. Hätte ein bloßer Appell à la „Bitte lasst uns doch mal unser Verhalten reflektieren“ hier ausgereicht? Würde dann eine solche Diskussion in unseren Räumen stattfinden? Wir betrachten uns als einen Teil dieser Räume. Auch wir nutzen sie regelmäßig und freuen uns, in Bochum und Witten das Glück zu haben, auf sie zugreifen zu können. Nicht ohne Grund entschieden wir uns für Kreidefarbe, die ohne Probleme wieder entfernt werden kann. Es ist nicht in unserem Interesse, den Räumen, sowie den Personen, die dahinterstehen, zu schaden. Argumente, wie die Aktion würde sich negativ auf die linke Bewegung auswirken, lassen eher darauf schließen, dass das Problem Sexismus nicht ernst genommen wird.
Wir haben bewusst auf konkrete Forderungen für die Räume verzichtet, denn diese werden von den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen genutzt. Wir haben nicht überall Einblick. Aber hoffentlich ermöglicht diese Aktion und die Diskussionen drumherum, dass (Hetero)Sexismus oder Unzufriedenheit leichter angesprochen werden können. Wir hoffen, damit einen Prozess anzustoßen, so dass aktive Menschen sich fragen: Gibt es bei uns Sexismus? Und wenn die Antwort nein lautet, dann: Was können wir tun, um Sexismus vorzubeugen?
In Zeiten, wo die extreme Rechte sehr stark ist, ist f:antifa ganz besonders wichtig. Wer das nicht erkennt, hat nicht verstanden, was f:antifa ist. Denn hier liegt einer der Gründe, warum unsere Gruppe gegründet wurde: Wenn die AfD in manchen Gegenden von mindestens einem Viertel der Bevölkerung gewählt wird, erstarkt nicht nur eine Partei, die Neonazis in ihren Reihen duldet und fördert, sondern auch eine Partei, die eine Drei-Kinder-Politik fordert, mühsam erkämpfte Rechte für nicht cis-Männer revidieren möchte und ein Weltbild propagiert, das in letzter Konsequenz zugespitzt gesagt das Heimchen am Herd als die Option für Frauen* parat hält. Nichts gegen Hausfrauen: Wir wollen aber letztlich bitte selbst entscheiden, wie wir unser Leben gestalten. Auf diese Entwicklung vermehrt hinzudeuten, ist eines unserer Ziele. Dass wir dabei für sexistische Verhaltensmuster nicht nur bei rechten Gruppen, sondern auch in der Bewegung sensibilisieren möchten, der wir uns zugehörig fühlen, ist ein Recht, auf das wir auch weiterhin entschieden bestehen werden.